Wahrscheinlich erinnert sich nur noch die Generation weniger Eltern oder Großeltern daran, was für gemütliche Zeiten es doch waren, als Tante-Emma-Läden an der Straßenecke das Stadtbild bestimmten. Supermärkte gab es allenfalls im Zentrum größerer Städte. Haushalts- und Elektrowarengeschäfte oder richtige Bäckereien, wo noch Beratung, Fachwissen und Handwerk zählte. Man kannte die Besitzer persönlich und auch sie und ihre Angestellten kannten ihre Kunden beim Namen. Gerade für Kinder eine sehr schöne Atmosphäre. Doch das sollte sich ändern und soziale bzw. menschliche Aspekte aus der Welt des Konsums weitestgehend eliminieren. Heute verwendet jeder Online-User, besser -Loser, einen beträchtlichen Teil seiner Freizeit mit Internet-Suchen nach Angeboten und Schnäppchen. Aus sozialen Gesichtspunkten richtig gruselig. Nur, wie konnte es dazu kommen?

Mit den Discountern fing alles an

Zunächst waren es wohl die Supermärkte, die mit ihrem immer größeren, auch günstigeren Angeboten dem Einzelhandel das Leben schwer machten. Gab es früher Fleischer und Metzger oder Bäcker und Konditoren getrennt, wurden schon bald auch im Einzelhandel Produkte und Leistungen gebündelt, um sich dem Preiskampf der Lebensmittel-Supermärkte stellen zu können. Frei nach dem Motto „Hauptsache gut und billig“ wurde die Überfluss- und Wegwerf-Ära eingeleitet. Je mehr man für sein Geld kaufen konnte, umso besser. Dass dabei nach und nach ganze Branchen des Einzelhandels zusammenbrachen, kümmerte uns genauso wenig wie es jemanden interessierte, unter welchen Bedingungen die Angestellten in besagten Discountern und Kaufhäusern arbeiteten. Natürlich sind wir uns darüber im Klaren, wie wenig ein Mitarbeiter bei Aldi, Spar, Lidl, Penny, Real, usw. verdient wie auch, dass diese Leute meistens nach Feierabend noch ihre Filiale putzen müssen, aber solange wir dort „günstig“ einkaufen können, interessiert es uns nicht. Nur, wenn ich dort einkaufe, muss mir aber auch klar sein, dass sich das Leid der Mitarbeiter im Preis der Produkte widerspiegelt. Nur, wer denkt schon darüber nach.

Der online Angebots- und Preiswahnsinn

Nach der Einführung des Internets im Jahr 1993 kam der flächendeckende Einsatz von Handys bis in die 00er Jahre und seit der Erfindung des Smartphones 2007 mittels Apple-iPhone ist heute nahezu jeder Mensch rund um die Uhr online, bzw. kann sich über Wi-Fi jederzeit ins Netz einloggen. Das Kaufhaus „Neue Welt“ in der Hand ist rund um die Uhr geöffnet. Parallel dazu boomt nur noch der Niedriglohnsektor in Verteilerzentren und Logistikunternehmen von Amazon bis Zalando. Völlig egal, was es ist, das billigste Auto, die Last-Minute-Reise, die neue Wohnung, Kleidung, Schuhe, alles wird über Online-Suchmaschinen in Bruchteilen aus dem „www“ (world-wide web) unter dem Stichwort „Geiz ist geil“ herausgefiltert. Gratis-Versand vor die Haustür und die notwendige Beratung holt man sich am besten vorher im Fachhandel, sofern es ihn noch gibt. Wir zerstören gerade unseren gesamten Mittelstand des Einzelhandels und fühlen uns dabei auch noch wie Helden. Denn wer ist denn für gewöhnlich der Held des Tages? Immer genau derjenige, der gerade das neuste Produkt für den niedrigsten Preis ergattert.

Gibt es überhaupt noch einen Ausweg?

Wir sind alle Teil dieses Spiels und die Entschuldigungen, warum es okay ist, werden uns aufoktroyiert. Kein Geld, zu wenig Zeit und fehlende Fachkenntnis beim Billig-Personal sind dabei wohl die Hauptargumente. „Eigentlich will ich das nicht und für Qualität würde ich auch gerne mehr ausgeben.“ So oder ähnlich belügen wir uns alle selbst und machen munter so weiter wie bisher, denn alle anderen tun es schließlich auch. Da stört es dann auch nicht weiter, wenn an der Tür der Kundentoilette einer Buchhandlung ein Schild hängt: „Wenn Sie bei Amazon Bücher kaufen, dann gehen Sie bitte auch dort zur Toilette“.